Fotos und Videos: Dr. Oliver Schwenn und Yannick Scherthan
Der Ausbruch des Vulkans Fagradalsfjall mit seinen fünf mehr und weniger aktiven Kegeln zieht momentan Fotografen aus aller Welt an und würde es nicht die derzeitigen Corona-Einschränkungen bei der Einreise geben, wäre hier vermutlich ein riesiger Massenauflauf zu erwarten. Man spürt vor Ort ganz deutlich, wie dem Land eine Verschnaufpause des Massentourismus beim Durchatmen hilft. Wir, Yannick und Oliver, haben uns dazu entschlossen, dieses einzigartige Naturschauspiel selbst zu besuchen um zum einen darüber zu berichten, zum anderen aber auch zu fotografieren, was derzeit nicht viele Menschen erleben können.
Im Durchschnitt bricht alle 3-5 Jahre ein Vulkan auf Island aus – also ein recht „alltägliches“ Phänomen für die hartgesottenen Isländer. Dieser Vulkan Fagradalsfjall hat jedoch seine Besonderheiten. Zum einen brechen die meisten Vulkane eher in unzugänglichen Gebieten aus und sind für Fotografen nahezu unzugänglich. Zum anderen hat dieser Vulkan die Eigenschaft, keine Magmakammer zu besitzen. Er zapft brodelnd heiße und dünnflüssige Magma aus dem Bereich der Erdkruste in 14-16 Kilometern Tiefe an, was dazu führt, dass er sich langsam und mit eher flachen Flanken nach dem Muster eines Schildvulkans entwickeln dürfte. Das weiß man durch chemische Analysen der Lava. Bei einem Schildvulkan ist es auch nicht absehbar, wie lange der Auswurf von Lava anhalten wird. Je nachdem wie lange das Tunnelsystem zum Inneren der Erde intakt bleibt, kann dies eine Zeitspanne von wenigen Wochen bis hin zu mehreren Jahrzehnten umfassen. Erdbeben zum Beispiel, könnten dem Ausbruch ein jähes Ende bereiten.
Unsere Reise oder besser Reisen waren nur bedingt planbar. Der erste Ausbruch ereignete sich bereits am 19. März nach einer großen Anzahl von so genannten Schwarmbeben auf
der Reykjanes-Halbinsel. Schon früh erkannten die Wissenschaftler, dass es sich um einen langsamen und stetigen Ausbruch handeln könnte, und erlaubten den wenigen Touristen und
Einheimischen, die Ausbruchsstelle zu besuchen. Zunächst schien für uns aufgrund der derzeitigen Einreisebedingungen und der damit verbunden Quarantäne ein Besuch unmöglich. Yannick ist zwar
geimpft und hätte ohne Quarantäne einreisen können, aber bei Oliver standen fünf Tage Quarantäne auf dem Programm. Irgendwie lassen die Bilder im Internet einen dann doch nicht los und so
haben wir beide nach Flügen geschaut und dann irgendwann einfach beschlossen es zu wagen.
Oliver flog dann bereits fünf Tage vorher los und Yannick hatte seinen Flug auf den letzten Tag der Quarantäne abgestimmt. Eine große Herausforderung für die Psyche ist nicht alleine die Quarantäne selbst, sondern vor allem auch die Berichte über sich ständig verändernde Auswurfaktivität am Vulkan und der damit einhergehenden Furcht, das Spektakel zu verpassen. Für mich (Oliver) hieß das im Vorfeld (ich lebe in Aarhus in Dänemark), dass ich mich erst einmal auf Corona testen lassen musste. Ein erster Test ist zwei Tage vor Abflug obligatorisch. Für meine Anreise musste ich etwa drei Stunden mit dem Zug von Aarhus nach Kopenhagen fahren und dort per Direktflug nach Keflavik. Dort angekommen erfolgte ein zweiter Test, dann brachte mich ein Quarantäne-Bus in das mitten in Reykjavik gelegene Quarantänehotel. Auf ca. 9 m² musste man es sich nun so gemütlich wie möglich machen. Ein Ausgang von 30 Minuten wurde einmal täglich nach vorheriger Beantragung genehmigt.
Drei Mahlzeiten am Tag und die Unterbringung wurden vom isländischen Staat bezahlt. Am Morgen des fünften Tages kam dann Test Nummer drei, gleich morgens 8:00 Uhr und man musste sich noch ein letztes Mal in Geduld üben. 4-6 Stunden sollte es dauern bevor das Ergebnis zu erwarten war.
Für mich kam das erlösende negative Ergebnis gegen 15:00 Uhr.
Ich (Yannick) hatte bereits am Vortag Keflavik erreicht, mich um einen Leihwagen gekümmert und selbst einen PCR-Test über mich ergehen lassen. Selbst als Geimpfter musste ich bis zum Erhalt des Ergebnisses in meinem Hotel warten. An dieser Stelle muss man aber ein großes Lob an die isländischen Behörden aussprechen. Alles war bis ins kleinste Detail organisiert und in Sachen Digitalisierung kann sich so manche mitteleuropäische Industrienation eine dicke Scheibe abschneiden.
Der Vulkan befindet sich auf der Reykjanes-Halbinsel, nur etwas mehr als 30 Kilometer von Reykjavik entfernt. Wir haben uns in Grindavik ein kleines Haus gemietet und waren somit nur etwa zehn Fahrminuten vom Ausgangspunkt der Wanderung zum Vulkan entfernt. In der Nacht konnten wir praktisch von unserem Zimmer das orangefarbene Leuchten des Vulkans an der Wolkendecke beobachten. Die Wanderung selbst dauert je nach Geschwindigkeit zwischen ein und eineinhalb Stunden. Da es teilweise sehr steil und unwegsam zugeht, sollte man etwas Kondition und unbedingt festes Schuhwerk dabei haben.
Am Vulkan angekommen erwartete uns eine atemberaubende Atmosphäre. Es gab den so genannten „Zuschauerberg“ da saß oder stand man rund 250 Meter vom aktiven Hauptkrater entfernt, während der
Lavastrom im Prinzip direkt zwischen eben diesem Berg und dem Vulkan hindurchfloss. Es gab Stellen, wo man bis auf eine Armlänge an die heiße Lava kam, einige Isländer grillten sogar Würstchen an
den bereits abkühlenden Ausläufern des Stroms.
Insgesamt lässt sich der Vulkan als gut einschätzbar bezeichnen. Die Isländer nennen ihn auch „Vulkan für die Menschen“. Es ist überaus selten und ungewöhnlich, dass man da so nah ran darf und kann.
Als wir an unserem vorletzten Tag auf der anderen Seite des Stroms mit einem Helikopter abgesetzt wurden standen wir nur rund 50 Meter neben dem Krater. Neben uns wurde dieses Privileg nur wenigen anderen zuteil, sodass wir unglaubliche, beinahe exklusive Blickwinkel und Situationen dokumentieren konnten. Ein sehr beeindruckendes, aber auch respekteinflößendes Gefühl. Am Ende ist es eben doch ein Naturereignis und alle Reaktionen nur sehr bedingt voraussehbar. Während wir so nah davor standen und fotografierten, kam es zu Mini-Tornados die aus der Hitze des Lavastroms ihre Energie zogen und am Ende Lavabrocken mitrissen die in der näheren Umgebung abgeladen wurden. Als dann noch der Gasalarm der SAR-Leute losging, hieß es schnell zusammenpacken und laufen.
Das sind die Momente, bei denen man wirklich immer im Hinterkopf haben sollte, wo man sich gerade befindet.
Erst vergangenen Sonntag nach unserer Abreise spie der Vulkan in den Abendstunden seine Lava bis zu 300 Meter hoch in den Himmel. Ich weiß nicht, ob wir beide da noch so entspannt fotografiert hätten. Eine spannende Anekdote ist, dass an der Stelle wo wir mit dem Hubschrauber abgesetzt wurden, nur wenige Tage später ein weiterer kleiner Krater aufgebrochen war.
Schon im Vorfeld haben wir uns Gedanken gemacht was wir alles brauchen werden, schließlich galt es auch für diverse Fernsehproduktionen gutes Material zu sammeln. Am Ende sind wir aber beide Landschaftsfotografen und Naturliebhaber und da braucht es nicht viele Worte, um sich zu verständigen, wer was macht. Die meiste Planung fand eigentlich schon am Telefon im Vorfeld der Reise statt. Kleinere Abstimmung zu Equipment gab es dann täglich vor der Wanderung. Da wir schon in der Vergangenheit unzählige gemeinsame Touren unternommen haben, wussten wir, dass wir uns auf den jeweils anderen verlassen können.
Vor Ort trafen wir natürlich dennoch auf einige nicht planbare Herausforderungen. Angefangen bei der Standortwahl um die ideale Perspektive zu bekommen, bis hin zur Beachtung der Windrichtung um
nicht in die Gaswolke zu geraten und die eigene Gesundheit zu gefährden. Natürlich haben wir auch zahlreiche Aufnahmen mit Drohnen gemacht, die nicht lange der unglaublichen Hitze des Lavastroms
strotzen konnten. Wir wussten ja schon im Vorfeld, dass bereits so manch ein Videofilmer und Fotograf seine Drohne in der Glut versenkt hatte.
Als fotografische Herausforderung kamen die schwierigen Lichtbedingungen hinzu. Durch die nördliche Lage Islands wurde es erst sehr spät richtig dunkel. In der Dunkelheit musste man dann sehr aufpassen, dass die brodelnde Lava auf den Bildern nicht im wahrsten Sinne des Wortes ausbrennt. Natürlich kann man sich vorstellen, dass die Hitze ein Flimmern mit sich brachte, was es nicht immer ermöglichte, Tele Aufnahmen zu machen. Hierfür nutzten wir enge Korridore, in denen der Wind stark genug war.
Durch den explosionsartigen Ausstoß der Lava, galt es schnell zu sein. Selbst die lichtstarken Objektive benutzten wir mit einer hohen ISO und wählten gleichzeitig eine kurze Belichtungszeit um die glühende Masse in der Luft „einzufrieren“. Anders als mit der Drohne blieben wir mit unseren Kameras und Stativen noch weit genug entfernt, sodass zumindest das Material am Boden nicht zu Schaden kam.
Meist starteten wir unsere Touren gegen Abend so zwischen 18:00 und 19:00 Uhr, und kamen nach einer beschwerlichen Wanderung gegen 20:30 Uhr an, so dass wir noch lange im Tageslicht mit allen Sinnen das Naturschauspiel bewundern konnten. Zu Beginn der blauen Stunde bis in die Nacht hinein bot sich uns durch die sich verändernde Lichtstimmung eine Vielfalt an Eindrücken. Der Vulkan spuckte meterhoch seine Lava aus, die Nacht wurde in ein intensives Orange getaucht und das alles ließ es zu einem surrealen Naturschauspiel werden. Wahrlich ein einnehmendes und denkwürdiges Ereignis für eine ganze Lebenszeit.
Wir blieben, bis die Jungs und Mädels des SAR uns höflich baten den Rückweg anzutreten, das war meist gegen Mitternacht. Bis wir bei unserer Unterkunft ankamen, war es meist um 2:00 Uhr nachts.
Alles in allem hatte ich (Yannick) eine Woche auf Island, wogegen Oliver durch die Quarantänezeit nur vier Tage „in Freiheit“ genießen durfte. Wer die isländischen Wetterverhältnisse kennt weiß, dass man in so einem knapp bemessenen Zeitfenster eine große Portion Glück braucht, gutes Wetter zu erwischen. Und doch war uns der Wettergott wohl gesonnen und bescherte uns die perfekten Bedingungen. Weiter stellte sich im Nachgang heraus, dass wir die bis dahin emissionsreichsten Tage des Vulkans erwischt hatten.
Aufgrund der wenigen Zeit, verbrachte Oliver die Tage ausschließlich am Vulkan.
Mit seinen Fotokursen war er bereits dutzende Male auf Island gewesen, bei denen geniale Polarlicht- und Drohnenaufnahmen entstanden, die wir später in diesem Beitrag noch sehen werden. Auch für Yannick war es nicht das erste mal, sodass auch er sich bis auf die letzten beiden Reisetage voll auf den Vulkan konzentrieren konnte.
Das Erlebte lässt sich nur schwer in Worte fassen. Im Vorfeld hat man sich natürlich schon seine Gedanken gemacht und es sich vor seinem inneren Auge vorgestellt, wie es vor Ort sein könnte. Doch was wir erleben durften, übertraf all unsere Vorstellungskraft und Erwartungen! Wir wissen noch genau, wie wir am ersten Tag den beschwerlichen Anstieg erklommen haben und über den Berg blickten. Unser erster Blick zum Vulkan und dem gigantischen Lavastrom, ließ unseren Atem stocken und wir spürten die Gänsehaut über unseren Körper gleiten. Es war noch viel größer und eindrucksvoller, als wir es uns hätten vorstellen können. Uns stieg der Geruch von Schwefel in die Nase, wir spürten die enorme Hitze auch noch in hunderten Metern Entfernung in unseren Gesichtern und hörten das Donnergrollen, das bei jedem Auswurf des Vulkans dröhnte. In diesem Moment wussten wir, das ist eines der berühmten „once in a lifetime“ Erlebnisse von denen man noch seinen Enkelkindern spannende Geschichten erzählen wird.
Schon oft war ich (Oliver) auf Island und generell im hohen Norden als Fototrainer mit meinen Reisegruppen unterwegs. Bis zu diesem Zeitpunkt brachen die Vulkane aber meist erst nach meiner Rückkehr aus, weshalb mir dieses Erlebnis bis dahin verwehrt blieb.
Als Geograf habe ich eine ganz besondere Beziehung zur Entstehung unserer Erde und deren Naturphänomenen. So war es bis vor ca. zehn Jahren immer mein Traum gewesen Nordlichter zu sehen und fotografieren zu dürfen. Das gelang mir seit dem auf nahezu all meinen Reisen in der entsprechenden Jahreszeit. Mehr als 80 Reisen nach Skandinavien lassen einen aber keinesfalls abstumpfen.
Mit dem Vulkan ging es mir ähnlich, der ist doch fast schon Pflichtprogramm eines Geografen und steht mit auf der „Löffelliste“. Trotz all dem Hintergrundwissen, hat das Erlebte meine Vorstellungskraft gesprengt. Ein wirklich unvergessliches Erlebnis mit einmaligen Bildern, auch im Kopf. Deshalb rate ich meinen Reisegästen auch: „Fotografiert 80% und genießt die übrigen 20% mit euren Sinnen!“
*Oliver bietet mit ARCTIC PICTURES als Reiseveranstalter Fotoreisen nach Skandinavien an. Mit mehr als 80 Reisen in den hohen Norden kennt er unzählige Plätze und Motive. Wer also Lust bekommen hat, die schönsten Spots in Norwegen, Island und Dänemark in Kleinstgruppen fotografisch zu erleben findet hier weitere Informationen:
https://www.arcticpictures.de/fotoreisen
In der folgenden Galerie wollen wir euch noch einige unserer Fotos abseits des Vulkans zeigen, da Island noch so unglaublich viel mehr zu bieten hat! Viel Spaß damit.
Wir sind unglaublich dankbar, dass wir uns gegenseitig den Anstoß zu diesem Abenteuer gegeben haben und all das erleben durften. Wenn euch unser Reisebericht gefallen hat, dann hinterlasst uns unten gerne einen Kommentar!
Bis bald und Danke fürs Lesen,
Olli und Yannick
Kommentar schreiben
Jan (Sonntag, 16 Mai 2021 13:53)
Vielen Dank dass Ihr uns an Eurer Reise teilhaben lasst und eindrucksvoll in Wort und Bild davon berichtet.
Island ist schon länger ein Reisetraum von mir und durch Euren Beitrag wird das sicher nicht weniger.
Es muss wirklich beeindruckend gewesen sein und ich gönne Euch dieses Erlebnis von Herzen.
Fabian (Sonntag, 16 Mai 2021 17:07)
Wow! Toller Bericht, tolle Fotos!!!
Volker Fleckser (Sonntag, 16 Mai 2021 18:09)
Hallo ihr Zwei,
wirklich beeindruckende Bilder. Ich freue mich für euch Beide, dass ihr so ein tolles Eerlebnis haben durftet.
Erika (Montag, 17 Mai 2021 08:24)
Wow!!! Wirklich sehr beeindruckend und ein einmaliges Erlebnis. Die Bilder sind der Hammer! Vielen Dank für‘s Mitnehmen!
Brigitte Melder (Montag, 17 Mai 2021 19:48)
Die Beschreibung ist genau so sensationell wie die Fotos. Man fühlt sich als wenn man dabei gewesen wäre. Vielen Dank, dass ihr uns sozusagen auf eure Reise mitgenommen habt.
Robert (Dienstag, 08 Juni 2021 13:33)
Vielen Dank für die beeindruckenden Fotos und den ehr ansprechenden, lebendigen und persönlichen Bericht....
Ich komme gerade selbst von Island und kann mich dem Gesagten sehr gut anschließen.
Ich war auch in Grindavik und bin von dort über den Zeitraum von 5 Tagen täglich nach oben gewandert, bis tief in die Nacht geblieben und habe fotografiert, aber auch viel Zeit mit dem Staunen über die Kraft, Einmaligkeit und Schönheit unserer Erde verbracht...
Danke!!!
Walter (Donnerstag, 04 August 2022 00:16)
Danke für den tollen Bericht. Bin auf euch gekommen, weil ich gerade selbst in Island bin. Und eben Heute der Vulkan wieder ausgebrochen ist.
Tanja (Mittwoch, 22 März 2023 14:54)
Ein toller Bericht und unglaublich spektakuläre Aufnahmen!